Michiko Aoyama: Frau Komachi empfiehlt ein Buch

Lob und Verriss - Der Podcast

23-10-2023 • 5 mins

Nachdem ich mich in diesem Jahr verstärkt der Lektüre japanischer Autorinnen und Autoren gewidmet habe, war es nicht sehr verwunderlich, dass mir mein Kindle unter der Rubrik Basierend auf deinen Lesegewohnheiten auch den kürzlich auf Deutsch, im Rowohlt Verlag erschienenen Roman von Michiko Aoyama Frau Komachi empfiehlt ein Buch vorschlug. Selbiger, mittlerweile zum Bestseller avanciert und in über zwanzig Ländern erschienen, wurde bereits 2020 im Original in Japan veröffentlicht. Über die 1970 in Japan geborene Autorin Michiko Aoyama ist bekannt, dass sie zunächst in einem Tokioter Verlag als Redakteurin tätig war, bevor sie sich ganz dem literarischen Schreiben widmete. Die deutsche Übersetzung stammt – wir sind wenig verwundert, aber sehr erfreut – von Sabine Mangold, die für ihre zahlreichen Übersetzungen aus dem Japanischen, beispielsweise von Romanen Haruki Murakamis, nicht nur bekannt ist, sondern auch ausgezeichnet wurde.

Der Roman umfasst fünf Geschichten, die das Leben fünf verschiedener Protagonisten in relativ kurzer Form erzählen, die sowohl in Alter, Geschlecht als auch Beruf unterschiedlich sind. Es eint sie jedoch die Unzufriedenheit mit ihrem Leben bzw. ihrem beruflichen Werdegang und die Tatsache, dass sie alle die selbe Bibliothek aufsuchen. Diese ist an ein Gemeindezentrum angeschlossen und hat als Bibliothekarin, wir ahnen es bereits, Frau Komachi. Sie ist zwar die titelgebende Figur, nimmt in den einzelnen Geschichten, wenn auch eine wichtige, aber nur eine Nebenrolle ein. Sie ist eine Art Initiatorin, die durch ihre, zunächst merkwürdig anmutenden, Buchempfehlungen, den sprichwörtlichen Stein ins Rollen bringt und dadurch das Leben der Protagonisten, die ihren Empfehlungen folgen, verändert.

Stets fragt sie die Menschen, die zu ihr kommen, weil sie nach einem bestimmten Buch suchen: „Wonach suchen sie?“ Eine Fragestellung, die, ohne Kontext gesehen, ja ganz allgemein verstanden werden kann, was natürlich auch das Ziel der gewieften Frau Komachi ist. So erspürt sie deren Wünsche und Sehnsüchte, derer sie sich zwar meist selbst schon bewusst sind, aber noch keinen Weg gefunden haben, ihr Leben aus eigener Kraft zu verändern. Mit ihrer jeweiligen Buchempfehlung, die sie den eigentlich gesuchten Büchern zum Schluss noch hinzufügt und einem kleinen Filzobjekt, die sie selbst herstellt und die immer unterschiedlich sind, entlässt sie ihre Besucher.

Die Arbeitswelt bzw. das Berufsleben der Protagonisten ist letztlich das bestimmende Thema der fünf Geschichten. Jeder ist auf seine Weise auf der Suche nach Bestätigung, Selbstverwirklichung oder auch Veränderung. Dies hat zur Folge, dass die Geschichten alle nach dem selben Schema aufgebaut sind und ablaufen, welches sich dem Lesenden spätestens ab der zweiten Geschichte erschließt und zur Folge hat, dass die Stories doch recht vorhersehbar sind. Letztlich finden sie alle Rat bei Frau Komachi und können ihr Leben zum Besseren verändern. Das mag der ein oder andere als positiv und berührend empfinden, auch als Anstoß, dass es doch oft nur kleine Dinge erfordert, um seinem Leben eine neue Richtung zu geben, ich fand es jedoch eher fad und auch ein wenig zu plakativ.

Das sich die japanische Arbeitswelt doch sehr von unserer westlichen unterscheidet – sei es beispielsweise in Bezug auf Intensität oder auch Urlaubstage – hat sicher jeder schon auf die ein oder andere Weise mitbekommen, doch wird dies im Buch, vielleicht auch ein wenig unfreiwillig, noch einmal sehr deutlich.

„Obwohl ihm eigentlich ein anderer Beruf vorschwebte, hatte er eine Anstellung gefunden, bei der er genug für seinen Lebensunterhalt verdiente. Parallel dazu arbeitete er hart, um seinen Traum zu verwirklichen. Er war sowohl ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft als auch jemand, der sein eigentliches Ziel hartnäckig verfolgte.“ (S. 195)

Eine Passage die in mir, allein durch die Formulierung „vollwertiges Mitglied der Gesellschaft“, durchaus Befremden hervorgerufen hat, hier aber ganz ernsthaft verwendet wird und einen Einblick in die japanische (Arbeits-)Mentalität gibt, die einen sehr hohen Stellenwert hat und in der es sogar einen Begriff für den Tod durch Überarbeitung gibt (Karoshi).

Alles in allem bin ich mit diesem Buch nicht so recht warm geworden. Es hat nicht wehgetan es zu lesen, hat in mir aber auch keine Begeisterungsstürme hervorgerufen, da ich es doch sehr vorhersehbar fand und letztlich ein und dasselbe Thema in fünf verschiedenen Geschichten einfach nur immer wieder variiert wird, um letztlich immer zum selben Ergebnis zu kommen. Schade, aber dieses Mal leider keine Empfehlung von mir.



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